Kohletabletten Hund – wann sind sie sinnvoll?

Verarzten | Vom 19.03.24

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Kohletabletten Hund – wann sind sie sinnvoll?

Titelbild: Tamas Pap | Unsplash

Kohletabletten Hund – wann sind sie sinnvoll? Die großen, schwarzen Tabletten sind vielen von uns noch aus der Kindheit bekannt. So wurden und werden sie als Hausmittel gegen Durchfall genutzt. Da liegt es nah, dass man sie auch dem Hund bei Durchfall geben möchte. Doch ist die Kohle überhaupt wirksam und wird die Anwendung von Tierärzt:innen empfohlen? Gibt es weitere Anwendungsmöglichkeiten? Wir zeigen dir die Vorteile und Einsatzmöglichkeiten von Kohletabletten und decken dabei einen Mythos auf.

Darf ich meinem Hund Kohletabletten geben?

Theoretisch ja, aber nicht wofür du denkst. Weiter unten erklären wir es dir genauer. Kohletabletten bestehen aus medizinischer Kohle. Sie wird meist aus Pflanzenmaterial hergestellt, zum Beispiel Holz oder Kokosfasern, das verkohlt wird. Medizinische Kohle gehört zur Gruppe der Adsorbenzien, also zu den Stoffen, die andere Stoffe aufnehmen und binden. Aktivkohle hat diese Eigenschaft, da die einzelnen Kohlepartikel sehr klein sind und zusammengenommen eine sehr große Oberfläche besitzen. Die Aktivkohle wird oral, also über den Mund aufgenommen und gelangt in den Magen-Darm-Trakt. Von dort aus wird sie nicht weiter in den Körper aufgenommen. Im Darm kann sie dann unter anderem Giftstoffe binden und wird über den Kot wieder ausgeschieden.

Wann Kohletabletten verabreichen?

Die Tabletten zu verabreichen, ist kein einfaches Unterfangen. Deshalb sollte ihr Einsatz gut überlegt und sinnvoll sein, ansonsten führt die Aktion nur zu Frustration und nicht zum erwünschten Ergebnis. Im schlimmsten Fall verlierst du sogar wertvolle Zeit.

Kohletabletten bei Durchfall?

Nein! Der Einsatz von Aktivkohle bei Durchfall ist umstritten. Die eigentliche Idee ist, dass die Kohle durchfallverursachende Bakterien und von ihnen produzierte Giftstoffe absorbiert und so den Durchfall mildert. Bisher konnten allerdings keine klinischen Studien eine therapeutische Wirksamkeit bei Durchfallerkrankungen zeigen und es gibt sogar Hinweise darauf, dass Kohle dabei schaden kann. Was die Kohle tatsächlich bewirkt, ist eine Bindung von Flüssigkeit und somit Andickung des Kotes. Dies kann anfänglich den Anschein einer Verbesserung erwecken. Die den Durchfall auslösende Grunderkrankung bleibt dabei aber unbeeinflusst, denn Durchfall ist immer ein Symptom, aber nicht die Erkrankung selbst. So kann eine Darmentzündung, Futtermittelunverträglichkeit oder ein Parasitenbefall dahinterstecken, die weiterhin unerkannt und unbehandelt bleiben. Auf diese Weise können sich die Symptome auf lange Sicht sogar verschlimmern und die Erkrankungszeit verlängern.

Und es gibt weitere negative Effekte. Die aufgenommene Kohle interferiert mit dem Selbstreinigungsprozess der Darmschleimhaut und bewirkt ein längeres Verweilen von Bakterien und Bakteriengiften im Darm. Denn Durchfall hat eigentlich den Nutzen, schädliche Stoffe schneller auszuscheiden. Außerdem bindet sie auch nützliche Stoffe wie verabreichte Medikamente, Magensäure und Verdauungsenzyme und kann zu Verstopfung führen.

Bei Durchfall gibt es ein Schema, dem du eigentlich immer folgen kannst. So solltest du deinen Hund gegebenenfalls kurz fasten lassen und ihm dann Schonkost verabreichen. Zum Andicken des Kotes gibt es spezielle Ergänzungsfuttermittel wie z.B. DiaTab ® und Enterogelan®, die manchmal sogar etwas Aktivkohle enthalten. Darüber hinaus geben sie dem Hund aber weitere wichtige Nährstoffe und schützen die Darmschleimhaut durch die Bildung einer Schleimschicht. Sie sind bei Durchfall viel besser geeignet als reine Aktivkohle. Neben der Behandlung des akuten Durchfalls ist es zudem immer wichtig, die Ursache herauszufinden. Dabei können dir die confidu Forscher Kits helfen, oder aber ein Besuch in der Tierarztpraxis.

Kohletabletten bei Erbrechen?

Nein! Es gibt keine sinnvolle Einsatzmöglichkeit bei Erbrechen. Die Verabreichung der nicht so gut schmeckenden Kohle kann das Erbrechen möglicherweise sogar weiter fördern, außerdem ist die Prozedur Stress für deinen Hund. Erbrechen liegt meist an einer Reizung der Magenschleimhaut, die viele Ursachen haben kann, und diese werden durch die Kohle nicht gemildert oder behoben.

Auch bei Erbrechen sind Fasten und Schonkost die beste „Medizin“. Was du genau tun kannst, wenn dein Hund erbricht, findest du unter Erste Maßnahmen bei Erbrechen

Kohletabletten bei Vergiftung?

Ja! Der Einsatz von Kohletabletten ist bei Hunden tatsächlich nur bei Vergiftungen sinnvoll. Da es sich hierbei allerdings meistens um einen Notfall handelt, solltest du sofort eine Tierarztpraxis oder -klinik aufsuchen, um keine Zeit zu verlieren. Der/die Tierärzt:in wird dann deinen Hund untersuchen und möglicherweise Aktivkohle verabreichen, wenn er/sie es für sinnvoll erachtet. Nicht bei jedem Verdacht auf eine Vergiftung ist Aktivkohle hilfreich. Woran du Vergiftungen erkennst, kannst du im Artikel Hilfe, mein Liebling hat sich vergiftet! nachlesen.

Hat dein Hund nur wenig Gift aufgenommen oder es sofort wieder erbrochen, kannst du ihm sicherheitshalber Aktivkohle geben, um das im Magen und Darm verbliebene Gift zu binden. Allerdings ist es oft nicht einfach einzuschätzen, wie groß die gefressene Giftmenge wirklich ist. Die Gefahr besteht nämlich darin, die Menge zu unterschätzen. Kontaktiere im Zweifel lieber eine:n Tierärzt:in, als ein unnötiges Risiko einzugehen.

Kohletabletten: bei Durchfall und Erbrechen ungeeignet.

Bild: Sonja Rachbauer | Shutterstock

Die richtige Dosierung

Bei Vergiftungen wird eine Dosierung von 1 g/kg Aktivkohle vorgegeben, was eine große Menge ist. So benötigt ein 15 kg schwerer Hund 15 g Kohle. Die Kohletabletten enthalten meist 250 mg Aktivkohle pro Stück, 4 Tabletten enthalten also 1 g Kohle. Wenn man die Menge für den Beispiel-Hund berechnet, kommt man somit auf 60 Tabletten, was eine riesige Anzahl ist. Speziell für Hunde, Katzen und kleine Heimtiere gibt es bereits flüssige Aktivkohle in der Flasche (Carbodote®), hiervon benötigt man 2 bis 5 ml pro kg, je nach Menge des aufgenommenen Giftstoffes. Unser Modell-Hund würde demnach 30 bis 75 ml hiervon bekommen, was allerdings auch nicht so wenig ist.

Da die Kohletabletten nicht bei Durchfall oder Erbrechen empfohlen werden, gibt es auch keine Dosierung dafür.

Wie verabreichen?

Musstest du deinem Hund schon einmal Medikamente gegeben? Bei vielen Vierbeinern ist das eine schwierige Aufgabe. Kohletabletten sind da noch einmal ein anderes Kaliber – im wörtlichen Sinne. Die Tabletten sind relativ groß und schmecken nicht gut. Es ist sehr wahrscheinlich, dass dein Hund sie nicht akzeptieren wird, auch wenn du sie in Leckerlis versteckst.

Deshalb kannst du einen Trick anwenden, allerdings brauchst du dafür eine Spritze (ohne Kanüle natürlich). Zerdrücke die Tabletten mit etwas Wasser in einem Schälchen, sodass eine dickflüssige Masse entsteht. Für eine schnellere Anwendung gibt es die bereits flüssige Aktivkohle Carbodote®. Gib deinem Hund die Flüssigkeit nach und nach mit der Spritze seitlich ins Maul. Bitte verabreiche nur kleine Mengen auf einmal und geh sicher, dass dein Hund die Flüssigkeit herunterschluckt. Hierzu kannst du ihm nach jeder Gabe das Maul kurz zuhalten und von oben nach unten über die Kehle streichen, um den Schluckreflex auszulösen. Da du große Mengen Flüssigkeit verabreichen musst, um eine Wirksamkeit zu erreichen, ist das allerdings eine unschöne Arbeit, bei der oft schwarze Kleckse auf dem Boden und der Kleidung landen.

Wo kaufen?

Kohletabletten bekommst du in Apotheken, Drogerien und im Onlinehandel für wenige Euro. Carbodote® ist im Online-Fachhandel für Haustierbedarf erhältlich. Es kostet zwischen 14 € und 20 € für 100 ml. Einmalspritzen zum Eingeben kannst du ebenfalls in der Apotheke oder im Onlinehandel kaufen. Am besten eignen sich größere Spritzen, die mindestens 20 ml fassen.

Kohletabletten sind eigentlich ein Medikament für Menschen, du kannst sie aber trotzdem bei deinem Hund verwenden. Besser ist allerdings immer ein Produkt für Tiere, da dieses an Hunden getestet und für unschädlich befunden wurde. Tierärzt:innen dürfen die Kohletabletten aufgrund von rechtlichen Vorschriften im Arzneimittelgesetz eigentlich nicht einfach bei Hunden verwenden. Deshalb wird dein:e Tierärzt:in wahrscheinlich Carbodote® nutzen, da es das einzige in Deutschland erhältliche Mittel für Hunde ist, das Aktivkohle enthält.

Fazit

Kohletabletten sind eher ungeeignet für den Einsatz beim Hund. Du solltest sie nur dann verwenden, wenn dein Hund eine kleine Menge Gift aufgenommen hat, allerdings musst du ihm dann viele Tabletten geben, um eine Wirkung zu erreichen. Bei Vergiftungen solltest du aber ohnehin lieber eine:n Tierärzt:in um Rat bitten und keine Zeit verlieren. Bei Erbrechen und Durchfall sind Kohletabletten ungeeignet und können deinem Hund sogar schaden.


Das confidu-Magazin wird von unseren Tierärzt:innen nach aktuellem wissenschaftlichen Standard verfasst. Die Artikel ersetzen keine tierärztliche Diagnose, sondern sollen dir Erstinformationen zu vielen Themen rund um dein Tier liefern. Bei spezifischen Fragen zu deinem Tier, beraten unsere Tierärzt:innen dich gern über die confidu App.


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